Ausgabe2004/23 - 09. Dezember, Seite 10
ThemaDie Geschichte der Fahrkartenautomaten bei der Berliner S-Bahn
Erste computergesteuerte Fahrkartenautomaten gab’s vor 25 Jahren in Schöneweide

Für den Verkauf jeder Art von Fahrausweisen hält die S-Bahn Berlin rund 450 Automaten der modernsten Generation bereit. Ob Kurzstreckenfahrausweis, gleitende Monatskarte oder Tageskarte, ob mit Bargeld oder bargeldlos bezahlen: Die heutige Automatentechnik ist für jeden Wunsch gerüstet. Bis dahin war es ein langer Weg.

Briefmarkenautomaten
Die sogenannten Briefmarkenautomaten
Foto: DR

Schon vor dem ersten Weltkrieg gab es Fahrkartenautomaten in Berliner Bahnhöfen. In den 1930er Jahren beschaffte die Deutsche Reichsbahn eine größere Anzahl von Automaten von der Firma Hänel & Schwarz, die die legendären Edmonsonschen Pappkärtchen auf Blanko-Papprollen druckten.

Damals waren sie zur Entlastung der Schalter für eilige Kunden gedacht, die über passendes Münzgeld verfügten. Den eisernen Verkäufern war ein langes Leben vergönnt: 1970 waren noch genau 142 Automaten in West und Ost vorhanden.

Sie waren meist zu mehreren gruppiert und gaben Fahrkarten der Preisstufen 1 bis 3 aus, so dass hier für die meisten Fahrziele das richtige Ticket zu haben war.

Damit ist der Leistungsumfang der Vorkriegstechnologie auch schon beschrieben. Jeder Automat konnte nur eine Kartensorte ausgeben und passendes Kleingeld war Bedingung.

Ihr Bestand ging in den 80er Jahren stark zurück; die letzten Vertreter gingen mit Inkrafttreten der Währungsunion Ende Juni 1990 u.a. in Hennigsdorf Nord außer Betrieb.

Robuste Technik aus Ungarn in Großauflage

Ende der 1960er Jahre und dann wieder in den 80ern beschaffte die Reichsbahn Ersatz für die Veteranen. Weil Preissteigerungen in der DDR weitgehend unbekannt waren, reichte das bisherige Leistungsspektrum aus. Die neuen Automaten waren kleiner, die Technik kompakter. Wichtig war, dass die Geräte den hohen Belastungen des Alltagsbetriebes standhielten.

Inzwischen dienten Automaten nicht mehr zur Entlastung der Schalter, sondern immer öfter als deren Ersatz, denn Personal war knapp und schon längst war nicht mehr in jeder Station ein Schalter geöffnet.

Ab Mitte 1967 testete die Deutsche Reichsbahn auf Bahnhöfen der Berliner S-Bahn 50 Fahrkartenautomaten aus heimischer Produktion. Sie wurden ursprünglich in Luckenwalde unter der Bezeichnung WK 3 als Briefmarkenautomaten konzipiert. Da sie nur eine bereits vorher fertiggedruckte Papierrolle enthielten, konnte man damit natürlich anstatt der Postwertzeichen auch Fahrkarten ausgeben. Allerdings bewährte sich dieser Typ im Alltag nicht so sehr.


1979 gingen die ersten computergesteuerten
Fahrkartenautomaten in Betrieb, 1994 die
letzen außer Betrieb


In den 80er Jahren schaffte die DR nicht weniger als 900 Automaten des ungarischen Herstellers FOK-GYEM an. Auch dieser Automatentyp schnitt eine vorher fertiggedruckte Papierrolle nur ab und gab die Fahrkarten aus. Diese Automaten überdauerten die Währungsunion um ein gutes Jahr. Weil der bisherige S-Bahntarif – übrigens seit 1944 in Kraft – mit seinen acht Preisstufen bis zum 31. Juli 1991 gültig war, blieben auch die ungarischen Fahrkartenautomaten so lange in Betrieb. Dank ihrer robusten Technik konnten sie relativ einfach zum 2. Juli 1990 auf die D-Mark umgestellt werden.

Schon ab 1981 Dialog-Fahrkartenautomaten

Etwas völlig Neues stellte ein neuer Automat vor 25 Jahren dar, entwickelt von der Versuchsanstalt der Deutschen Reichsbahn in Delitzsch und pünktlich zum 30. Jahrestag der DDR am 7. Oktober 1979 auf dem Bahnhof Schöneweide aufgestellt. Dieser Automat konnte Anschlusskarten für Erwachsene und Kinder sowie Rückfahrkarten zu 33 Orten in den Berliner Randgebieten ausgeben.

Hierbei handelte es sich um kombinierte Karten für S-Bahn und Fernbahn, die die Preise für beide Verkehrsmittel zusammenfassten.

Dieses Prinzip, das sich im heutigen VBB-Tarif wiederfindet, wurde bei der Eisenbahn seit Jahrzehnten für bestimmte Verbindungen angeboten. Wegen der verschiedenen Preisstellungen für Erwachsene, Kinder und Rückfahrkarten bedruckte erstmals moderne Computertechnik Blankovordrucke.

Weiter entwickelte Dialog- Fahrkartenautomaten (sperrige Fachbezeichnung „Münz-Fahrkartenautomat – Dialog“, kurz: MFA-D) wurden ab 1981 auf verschiedenen S- und U-Bahnhöfen aufgestellt. Je nach Standort konnten diese ein umfangreiches Sortiment an S-Bahnfahrkarten oder Zeitkarten auch für die BVB (Berliner Verkehrsbetriebe) ausgeben.

Die Wahl von Fahrziel und Tarif war mittels Ziffern möglich, die in mehreren Eingabeschritten über eine Zehnertastatur eingetippt werden mussten.

Produktionsstandort Hauptwerkstatt Schöneweide

Die heutige S-Bahn-Hauptwerkstatt in Schöneweide produzierte diese Automaten. Im Laufe der Zeit bewiesen die Automaten ihre Tauglichkeit. Weil die westdeutsche Automatenindustrie nach der Wiedervereinigung nicht genügend Geräte liefern konnte, wurden 1992 84 Dialog-Automaten auf den gemeinsamen Tarif von BVG und S-Bahn programmiert.

Der letzte Vertreter dieser Art wurde Ende 1994 stillgelegt. Mit einem ähnlichen Bedienablauf mittels Zifferntastatur arbeiteten auch die in den 90er Jahren beschafften Nachfolger bei der Berliner S-Bahn, bevor anlässlich der Euro-Einführung im Jahr 2002 die jetzigen Touch-Screen-Automaten aufgestellt wurden.
Manuel Jacob
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